Die Geliebte Friedrichs des Schönen by Felix Salten

Die Geliebte Friedrichs des Schönen by Felix Salten

Autor:Felix Salten [Salten, Felix]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählung
Herausgeber: Marquardt & Co.
veröffentlicht: 1907-12-31T23:00:00+00:00


* * *

Ein Tag

(1896)

In Ischl, auf der Esplanade. Es ist Mittag und die Kurkapelle spielt. Viele Menschen gehen auf und nieder, sitzen auf den Bänken, stehen in Gruppen plaudernd beisammen. Zwei alte Herren sitzen an einem der kleinen Tische vor dem Café. Der eine von ihnen, Robert, noch ziemlich frisch, aufrechte Haltung, vielleicht ein wenig zu jugendlich gekleidet. Der andere, Ferdinand, hat ein gütiges Greisenantlitz, weiße Haare, viel Noblesse und eine leichte Traurigkeit in den Augen.

Robert (einem jungen Mädchen nachblickend, das eben vorübergeht): Donnerwetter, die ist hübsch!

Ferdinand (ihr gleichfalls nachsehend): Ja, ich kenne sie schon, die hat so viel Musik in ihren Bewegungen. Reizend ist sie!

Robert: Sie ist vom Theater hier? Nicht wahr?

Ferdinand: Ja, ich glaube.

(Kleine Pause. Sie blicken in das Gewühl, das an ihnen vorüberströmt.)

Robert: Ueberhaupt … was?

Ferdinand: Ja – es ist wundervoll! Diese schönen, schönen Menschenkinder, die man da beisammen sieht.

Robert: Weißt du nicht – hat sie ein Verhältnis?

Ferdinand (überhört das): Ich werde immer traurig, wenn ich so hier sitze, und das viele frische Leben ringsherum spüre…

Robert (lächelnd): Hast du noch nicht genug?

Ferdinand: Nein, (seufzend) nein! – Das ist ja das Entsetzliche, daß man nie genug hat, nie, daß man innerlich nicht müd’ wird in dieser Welt…

Robert: Innerlich – das hilft freilich wenig. Bei der Kleinen da, schon gar nicht. Da darf man auch äußerlich nicht müde sein.

Ferdinand: Ach, ich denke gar nicht an die allein. Was ist sie mir? Auch nur eine Botschaft, daß es jetzt vorbei ist.

Robert: Aber doch auch eine Botschaft, daß es einmal war, nicht?

Ferdinand: Jawohl. Dieser ganze Sommermorgen, der mein altes Herz hier umgibt, ist eine Botschaft davon. Da, schau die Traun an, die da vorbeifließt, geradeso wie früher. Mir ist, als müßte ich aufstehen, an das Geländer treten und den Fluß hinunterschauen, ob ich nicht meine Jugend irgendwo noch auftauchen sehe, die er mit sich fortgetrieben.

Robert: Unsere Jugend, wo ist die schon?

Ferdinand: Und die Berge da mit den dunklen Wäldern, mit den grünen Wiesen, die weißen Wege – alle zusammen – so treulos stehen sie da in ihrer Schönheit – ich hab’ sie nicht mehr – ich sehe die Gipfel, auf denen ich einst gestanden, ich blicke hinauf zu den Spitzen, die ich einst erklommen, und die mein Fuß nun nie wieder betreten wird – und ich nehme Abschied von ihnen, für immer.

Robert: Das wäre noch das geringste. Wenn ich sonst alles noch hätte…

Ferdinand: Mir ist das nicht das geringste. Mir ist alles ein Ganzes. Alles fließt mir zusammen in eine einzige Erinnerung an den Besitz. Besessen hab’ ich diese Natur einstmals, in den Höhen und in den Tiefen, die Berge und die Wälder, und den Sonnenschein, und den blauen, fröhlichen Himmel, und die Frauen und die Liebe, und Arbeit, und alles, alles, alles zusammen. –

Robert: Ja, du! Du hast genießen können!

Ferdinand: Darüber bin ich heute noch froh. Das Gefühl davon ist jetzt mein einziger Besitz.

Robert: Man sollte nicht alt werden – oder wenigstens vergessen können.

Ferdinand: Vielleicht wäre das gut. Aber ich, ich lasse mich hier immer fortreißen, ich tauche immer wieder



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